30.03.2021: Schopfheim – Gugelturm (Engelschwand) (27 km)
Ich stieg aus dem Zug in Schopfheim und startete mein kleines Abenteuer auf dem Hotzenwald Querweg. Das Besondere: Im Hotzenwald bin ich aufgewachsen und war sehr gespannt auf die Perspektive, die ich während einer Trekking-Tour auf meine Heimat geboten bekomme. Nach wenigen Minuten ließ ich die kleine Stadt im Wiesental hinter mir. Es war gerade mal 9 Uhr und ich musste schon jetzt meine lange Hose gegen eine kurze eintauschen. Kaum zu glauben, dass noch März ist.
Das erste Highlight wartete kurz darauf, als ich den Eichener See erreichte. Ich freute mich, dass sogar Wasser im See war. Ja, das ist keine Selbstverständlichkeit. Es handelt sich um einen Karstsee, der über einem Höhlensystem liegt. Und nur wenn der Grundwasserspiegel genug steigt, gelangt das Wasser an die Oberfläche. Das kann manchmal mehrere Jahre dauern und ich hab bisher immer nur auf eine Wiese gestarrt, als ich dort war. Und jetzt war da einfach dieser See in der Größe eines Fußballfeldes. Kein Wunder also, dass sich so einige Sagen um den ominösen See ranken.
Es folgte eine kurze Passage durch den Wald, um danach in eine offene, hügelige Landschaft zu gelangen. Der Himmel strahlte blau und die Wiesen waren sattgrün. Einzelne Bäume sorgten für Highlights und im Hintergrund waren die bewaldeten Berge zu sehen, die einige hundert Meter in die Höhe ragten. Ein Traktorfahrer drehte seine Runden auf einem Feld und die Idylle war vollkommen.
Anschließend passierte ich die erste kleine Ortschaft Hasel, die für die Erdmannshöhle bekannt ist. Auf jeden Fall einen Besuch wert, doch für mich ging es in den Wald. Nach einem ordentlichen Anstieg musste ich den Querweg aufgrund einer Sperrung verlassen. Die Umleitung war anfangs sehr gut markiert, doch irgendwann gar nicht mehr. So musste die Karte auf dem Smartphone herhalten. Ich verlief mich trotzdem, doch nach einer unschönen Passage auf einer viel befahrenen Landstraße, war ich wieder auf dem Weg. Es folgte der härteste Abschnitt der Tour. Innerhalb kürzester Zeit sollte es von 400 auf 1000 m gehen. Nach den ersten steilen Minuten ruhte ich mich auf einer Bank mit fabelhafter Sicht auf den Wehre-Stausee aus. Gerne wäre ich noch länger geblieben, doch ich wollte den Aufstieg hinter mich bringen.
Bei inzwischen fast sommerlichen Temperaturen kam ich im lichten Wald ordentlich ins Schwitzen. Unterwegs hatte ich eine Begegnung mit einer Schlange, die sich über die Sonne freute und aus ihrem Loch schaute. Als sie mich sah, legte sie direkt den Rückwärtsgang ein und war schnell verschwunden. Mein Weg schlängelte sich in Serpentinen immer weiter bergaufwärts. Die nächsten Reptilien warteten auch schon auf mich. Auf einer Strecke von etwa 200 Meter saßen hunderte kleine Eidechsen auf den Steinen oder auf dem Boden und huschten zur Seite als ich kam. Es raschelte aus allen Richtungen. Richtig was los hier.
Beim letzten Kilometer musste ich die Zähne richtig zusammenbeißen. Ich hechelte nach Luft und mein Puls war rasend schnell. Doch oben angekommen, hatte ich eine fantastische Sicht auf das Tal, die Vogesen im Hintergrund und sogar die Alpen waren im Süden zu sehen. Die nächste Bank kam genau richtig. Pause!
Anschließend tauchte ich in einen dichten Wald ein, wo es ziemlich schattig war. Entsprechend lag stellenweise Schnee, der das Vorankommen deutlich erschwerte. Die herrliche Ruhe und die kühlere Luft waren dafür unglaublich wohltuend. Mitten im Wald tauchte plötzlich die sehenswerte Ödlandkappelle auf, die auf 1020 m, dem höchsten Punkt des Hotzenwaldes, errichtet wurde. Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie gebaut, als Dank dafür, dass die eigenen Tiere vor der Rinderpest verschont geblieben waren. Obwohl ich aus der Gegend komme, war ich nie an dieser historischen Stelle und war froh, dass ich das nachholen konnte.
Ich stapfte weiter durch den Schnee und erreichte bald die Skipiste von Herrischried. Hier hatte ich eine traumhafte Aussicht auf das Dorf. Nachdem ich den Ort passiert hatte, wartete noch einmal ein Anstieg, der für eine freie Sicht auf das Alpenpanorama sorgte. Ich war inzwischen ganz schön platt und hatte auch schon 25 km in den Beinen. Ich wusste, dass bald eine Schutzhütte kommen würde und mobilisierte die letzten Energiereserven. Ein letztes mal musste ich mich durch tiefen Schnee kämpfen, um einen Hügel zu erklimmen. Ich erreichte überglücklich die Schutzhütte. Sie war perfekt geeignet, um darin zu übernachten. Doch es sollte ganz anders kommen.
In der Nähe stand der Gugelturm, ein rund 30 Meter hoher Aussichtsturm. Auf der 16 Meter hohen Plattform angekommen, war die Sache schnell klar. Hier werde ich die Nacht verbringen. Die Rundumsicht war überwältigend und auch sonst passte alles für eine Übernachtung. Ich kletterte wieder runter, um mich zu waschen. Dafür hatte ich meinen *Wasserbeutel zuvor an einem Bach gefüllt und gönnte mir eine erfrischende Dusche. Danach gab es ein Abendessen und ich konnte nicht glauben, dass ich hier die Nacht verbringen werde. Die Sonne näherte sich langsam dem Horizont. Was für ein Tag!
Ich entschied mich, zum ersten mal seit Jahren ohne Zelt draußen zu schlafen. Ich hatte einen neuen *Schlafsack und wollte sehen was er taugt. Außerdem war kein Regen angesagt und falls doch noch jemand kommen sollte, um zum Beispiel die Tür unten am Eingang zu schließen, hätte ich schneller zusammengeräumt. Anfangs schlief ich ziemlich unruhig, da es doch ungewohnt war. So verpasste ich immerhin nicht den Mondaufgang. Zwei Tage nach Vollmond leuchtete er in einem intensiven Rot und zog mich in seinen Bann. Obwohl es jetzt deutlich heller war, schlief ich anschließend besser.
31.03.2021: Gugelturm – Waldshut (22 km)
Das Morgengrauen weckte mich sanft. Ich blieb noch etwas liegen und schaute dem Himmel zu wie er sich färbte. Die Luft konnte klarer nicht sein und obwohl es bis auf 3 Grad abkühlte, hatte ich zu keinem Zeitpunkt gefroren. Der *Schlafsack hat seinen Test also mit Bravour gemeistert. Ich staunte über den malerischen Sonnenaufgang und war plötzlich hellwach und voller Energie, trotz mäßigem Schlaf. Während mich die ersten Strahlen wärmten, packte ich meine Sieben Sachen zusammen und machte mich auf den Weg. Eine unvergessliche Nacht liegt hinter mir und der zweite Tag auf dem Hotzenwald Querweg vor mir.
Die ersten Minuten war wieder Schneewandern ohne Schneeschuhe angesagt. Mit voller Konzentration plante ich jeden Schritt, um meine Muskeln auf Betriebstemperatur zu bekommen und nicht gleich zu fallen. Weiter ging es durch einen weiteren kleinen Ort, Engelschwand, um dann am Giersbach eine idyllische Stelle zu finden. Auf moosbewachsenen Steinen machte ich es mir bequem und frühstückte, während der Bach gemütlich an mir vorbei plätscherte. Das Wasser aus dem Bach ließ ich durch meinen *Filter laufen und füllte meine Reserven wieder auf. Anschließend putze ich mit etwas Abstand vom Gewässer die Zähne. Frisch und gestärkt lief ich weiter.
Heute ging es häufiger durch den Wald, wofür ich dankbar war. Es wurde schon früh wieder heiß und ich war froh um den Schatten. Und ja, es war immer noch März! Von weitem hörte ich eine Motorsäge und sah wie ein Baum mit ohrenbetäubendem Lärm auf den Boden krachte. Der Weg war abgesperrt und ich musste erneut meine Karte zur Hilfe nehmen. Ich bahnte mir querfeldein einen Umweg und fand nach einer halben Stunde die Markierung wieder.
Der Hotzenwald Querweg verlief fast auf einem Drittel auf Asphalt. Das liegt daran, dass immer wieder Dörfer passiert werden. Ich persönlich störe mich bei einer Zweitageswanderung nicht daran. Wenn es mehrere Tage hintereinander werden, kann es schon ziemlich unangenehm werden. Doch die kleinen Ortschaften machen auch den Charme des Hotzenwaldes aus und von dem her nahm ich das gerne in Kauf. Doch mir ist bewusst, dass das für einige überhaupt nichts ist, weswegen ich es nicht unerwähnt lassen wollte. Nachdem ich das nächste Dorf Görwihl passierte, ging es steil bergab ins Albtal. Ich kreuzte den Albsteig, auf dem ich wenige Wochen zuvor unterwegs war. Die Alb rauschte in einer beeindruckenden Schlucht an mir vorbei. Auf einer Holzbrücke machte ich es mir bequem und ließ die Atmosphäre auf mich wirken. Nach einem Mittagessen wartete ein saftiger Anstieg, um die Schlucht direkt wieder zu verlassen.
Kurz später, auf einem offenen Feldweg, kamen mir tatsächlich drei Wanderinnen mit großem Gepäck entgegen. Sie waren auch auf dem Querweg unterwegs und ich freute mich über den Austausch. Ich empfahl ihnen den Gugelturm als Nachtquartier, den sie dann ansteuern wollten. Ein paar Minuten später hatte ich schon die nächste Begegnung, diesmal wieder mit einem Reptil. Eine ziemlich lange Blindschleiche bahnte sich ihren Weg über den Schotter. Sie begutachtete mich skeptisch und zog dann weiter ins Unterholz.
Danach wurde es bunt. Auf dem Waldboden erstreckte sich ein großes Blumenfeld in verschiedensten Farben. Ich hörte es an allen Ecken und Enden summen und überall flatterten Schmetterlinge herum. So schön anzusehen, wie der Frühling die Natur wieder zum Leben erweckt. Ich brauchte inzwischen an jeder Parkbank eine Pause und stärkte mich mit Nüssen und Datteln.
Als ich den Wald hinter mir ließ, bot sich noch einmal eine berauschende Aussicht auf das Rheintal und die Alpen. Früher hatte ich die Alpensicht für selbstverständlich gehalten, da ich sie fast täglich hatte. Doch inzwischen weiß ich, wie besonders sie im Hotzenwald ist und schätze sie jedes mal, wenn ich hierher zurückkehre. Die letzten Kilometer führten mich hinab ins Tal und in der letzten Waldpassage hieß es ein letztes mal volle Konzentration. Ich lief auf einem schmalen Pfad, der voll rutschigem Laub, Ästen, Wurzeln und gefallenen Bäumen war und zu meiner Rechten ging es einige Meter steil herunter. Die Muskeln waren müde und ich tastete mich vorsichtig voran. Ein falscher Schritt konnte der letzte sein. Erleichtert und geplättet erreichte ich Waldshut, das Ziel des Hotzenwald Querweges.
Zwei absolut gelungene Tage liegen hinter mir. Es war spannend, in der Heimat unterwegs zu sein, dabei Bekanntes aus einem anderen Winkel und auch viel Neues zu sehen. Erstaunt hat mich, wie ich Abstände, z. B. zwischen zwei Orten, komplett falsch eingeschätzt hatte. Erst zu Fuß erkennt man die wahren Entfernungen. Ich bin viele neue Wege gegangen, wodurch sich mein Bild vom Hotzenwald geschärft hat.
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