Hardangervidda Durchquerung
- Wanderung von Rjukan nach Kinsarvik, Südosten nach Nordwesten
- Zwei Wochen Trekking im Juni 2022
- Größte Hochebene Europas zwischen Oslo und Bergen
Karte und GPX-Datei
Auf einem Campingplatz, wenige Kilometer vor Rjukan, verbrachten wir die Nacht. Am Vormittag waren wir mit letzten Vorbereitungen beschäftigt, bevor es dann endlich in die Wildnis gehen sollte. Mein Rucksack wurde von Elmar mit Nadel und Faden für die Hochebene fit gemacht, während ich die Rückfahrt in die Heimat organisierte.
Schließlich brachte uns der Bus in die Stadt, wo wir in der Touristeninformation einen Schlüssel für die Hütten im Hardangervidda holten. Dazu hatte ich im Vorfeld eine Mitgliedschaft beim norwegischen Wanderverein beantragt. Dann noch eine Gaskartusche und Mückenspray aus dem Sportladen und letzte Panikkäufe im Supermarkt. 14 Tage ohne Zivilisation. Das wurde uns erst in diesem Moment richtig bewusst.
Mit der Krossobanen ging es auf eine Höhe von 900 Meter. Da Rjukan in einem sehr engen und tiefen Tal liegt, gibt es für die Bewohner im Winter kein direktes Sonnenlicht. Mit der 1928 gebauten Seilbahn wurde es von da an einfacher, auf der Höhe Sonne zu tanken. Eine noch kreativere Lösung sind die 2013 errichteten Spiegel, die das Sonnenlicht während der langen Wintermonate auf den Marktplatz lenken.
Ungläubig liefen wir los. Wir waren nun tatsächlich im Hardangervidda! Die ersten beiden Kilometer führten uns stetig bergauf durch einen lichten Wald aus Nadelbäumen und Birken.
Dann änderte sich das Bild schlagartig. Die Baumgrenze war erreicht und vor uns lag das, wovon wir geträumt hatten: Eine vermeintlich karge Landschaft, die uns sofort in ihren Bann zog. Überall Felsen und Steine, in allen erdenklichen Größen und Formen. Dazu Moose, Flechten und Heide, die für einen bunten Anstrich der Landschaft sorgten. Und dazu Wasser. Mal Moore, mal plätschernde Bäche, mal Flüsse, mal Seen. Wir konnten uns gar nicht entscheiden, wohin mit unseren Blicken. Fasziniert liefen wir weiter, mussten jedoch immer wieder stehen bleiben, um alles auf uns wirken zu lassen.
Von nun an ging es immer abwechselnd leicht hoch und runter, doch das merkten wir kaum. Das lag nicht nur an der Landschaft, die uns ablenkte, sondern auch am abwechslungsreichen Gelände. Kein Schritt glich dem anderen. Regelmäßig ging es von Stein zu Stein balancierend über Bäche. Manchmal wurden die Schuhe auf den butterweichen Moosen etwas nass, doch meist war der Boden staubtrocken. Bei etwa 12 Grad, bewölktem Himmel und einem lauen Lüftchen herrschte bestes Wanderwetter. So richtig voran kamen wir nicht, doch das war Nebensache. Wir waren einfach nur verzaubert und glücklich hier zu sein.
Unser Tagesziel, die Helberghytta, war bereits zu sehen, als es doch noch knifflig wurde. Der Pfad führte mitten durch Morast. Jetzt doch noch nasse Füße zu bekommen, kam nicht in Frage. Also bahnten wir uns einen Weg durch das dichte Gestrüpp, um das feuchte Gebiet herum und kamen mit trockenen Füßen an der Hütte an. Die Tür war mit einem markanten Eisenschloss verriegelt. Wir hatten die Hütte nicht bei unserer Planung berücksichtigt, da wir davon ausgingen, am ersten Wandertag viel weiter zu kommen. Ohne uns groß Hoffnung zu machen, probierten wir den Schlüssel aus und standen kurz darauf in einer gemütlichen Stube. Wir staunten nicht schlecht über den Ofen, die Küche, die drei Schlafzimmer und vor allem den bis zur Decke gefüllten Proviantraum. Den Plan draußen im Zelt zu schlafen, konnten wir hier unmöglich umsetzen. Viel zu einladend war die Hütte.
Im angrenzenden Bach nahm ich ein erfrischendes Bad und anschließend kochten wir auf der Terrasse mit einem Ausblick, den wir beide nicht begreifen konnten. Vor uns lag nichts als ungezähmte Natur und herrliche Stille. Wir waren im Hardangervidda angekommen!